Aachener Friedenspreistraeger 2008 : Interview mit Rahel-Roni Hammermann (Machsomwatch) und Mitri Raheb | Machsomwatch
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Aachener Friedenspreistraeger 2008 : Interview mit Rahel-Roni Hammermann (Machsomwatch) und Mitri Raheb

Aachener Friedenspreistraeger 2008 : Interview mit Rahel-Roni Hammermann (Machsomwatch) und Mitri Raheb

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Aachener Friedenspreis e.V.

Der Aachener Friedenspreis e.V. stellte beiden Interviewpartnern die Fragen schriftlich. Ihre getrennten Antworten haben wir zusammengefügt.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Problematik des Konflikts Israel-Palästina?

Hammermann: Der gegenwärtige Zustand des Konfliktes ist zwar schwierig, aber nichtsdestoweniger müssen wir alle denkbaren Kanäle für einen Dialog offen halten. Frieden macht man mit seinem Feind, auch wenn dessen Wertvorstel- lungen uns nicht immer verständlich sind und auch wenn sein Verhalten unsere Kritik auslöst.Wir müssen alles tun um den Weg zu einem Frieden auf der konkreten Grundlage der Grenzen von 1967 zu ebnen. Das Ende der Besatzung ist die unbedingte Voraussetzung um Sicherheit und Wohlfahrt in die Region einzuführen.
Raheb: Dieser Konflikt ist einer der am längsten andauernden Konflikte in der neueren Geschichte und ein Ende ist nicht in Sicht. Gleichzeitig ist dieser Konflikt von zentraler moralischer und emotionaler Bedeutung für über zwei Drittel der Menschheit. Dieses Jahr ist ein wichtiges Datum: Es war vor 60 Jahren, dass der Staat Israel gegründet wurde. Bush und die Interna- tionale Gemeinschaft wollen, so wird gesagt, bis Ende dieses Jahres den Staat Palästina gegründet sehen. Allerdings bin ich persönlich der Meinung, dass das Projekt "Israel" gescheitert ist, gerade auf Grund der Besatzung, und dass das Projekt Palästina ebenso gescheitert ist am Konflikt zwischen Fatah und Hamas. Daher gibt es eigentlich keinen Anlass zum Feiern, sondern wenn dann zur Buße.

Wie beurteilen Sie die Aktualität der „Genfer Initiative"?

Hammermann: Die „Genfer Initiative" hatte im Jahre 2003 große Bedeutung, als die israelischen Politiker behaupte- ten sie hätten keinen Partner für den Frieden. Heute ist sich ein Teil der Bevölkerung bewusst, dass es einen Partner für den Frieden geben könnte, wenn man die palästinensische Behörde nicht durch Spaltung schwaecht und auseinander reisst. Nur mit einem vereinigten palästinensischen Partner kann man sinnvolle Verhandlungen führen.
Raheb: Die Wichtigkeit dieser Initiative bestand darin, dass es gezeigt hat, dass eine Lösung gar nicht so unmöglich ist; dass es auch auf die schwierigsten Fragen konkrete Vorschläge gibt. Es fehlt nur der echte Wille. Gleichzeitig denke ich, dass die Genfer Initiative auch einige Probleme nicht richtig erkannt hat, z.B. wie sollte Maale Adumim zu Israel gehören und Ost-Jerusalem die Hauptstadt Palästinas werden.

Wie beurteilen Sie den inneren Konflikt in der palästinensischen Gesellschaft?

Hammermann: Man darf gewisse israelischen Tendenzen, die an einer Verschärfung des Konflikts durch eine gespal- tene palästinensische Gesellschaft interessiert sind keinesfalls ermutigen. Die wichtigste Aufgabe der internationalen Gemeinschaft ist es die Einheit der Palästinenser zu fördern. Palästinensische Einheit ist die Grundvoraussetzung für einen Frieden. Aachener Friedenspreisträger 2008


Raheb: Diese inneren Konflikte hängen zum Teil mit Einflüssen von ausländischen regionalen und internationalen Ein- mischungen in die palästinensischen Angelegenheiten, gleichzeitig aber auch mit engstirnigen Interessen von Seiten der beiden grossen Parteien Fatah und Hamas zusammen.

Wie beurteilen Sie den inneren Konflikt in der israelischen Gesellschaft?

Hammermann: In der israelischen Gesellschaft gibt es die verschiedensten politischen Tendenzen was den israelisch - palästinensischen Konflikt betrifft und darunter auch rechtsextreme Gruppen die jegliche Einigung mit den Palästi- nensern ablehnen.Wir müssen aber darauf hinarbeiten, dass alle Menschen die Wichtigkeit des Friedens für ihre eigene Sicherheit und die des Landes erkennen und verstehen dass er die einzige Grundlage für eine bessere Gesellschaft in der Zukunft ist.
Raheb: Hier geht es um die Frage der Identität Israels, was hält die Gesellschaft zusammen.Welche Rolle soll Religion spielen oder nicht spielen.

Wo sehen Sie eine Chance zu Dialog und Frieden?

Hammermann: Beide Völker haben wegen des schrecklichen Blutvergießens viele Jahre gelitten. Man muss dringendst den gesunden Wunsch in beiden Völkern ansprechen, eine neue Zukunft zu schaffen und nicht ewig in einer düsteren Vergangenheit von Blut und Leiden zu verweilen.
Raheb: Chancen zum Dialog gibt es zur Zeit. Da wird verhandelt. Ich glaube, dass in der Tat die Möglichkeit besteht, bis Ende des Jahres so etwas wie einen Rahmenvertrag ähnlich der Übereinkunft von Taba, zu erarbeiten.Allerdings zweifle ich, dass so eine Vereinbarung jemals implementiert wird. Ich denke, dass wir hier auf ein Apartheidsystem zusteuern, dass zwei Generationen von Israelis und Palästinensern das Leben sauer machen wird bis es letztendlich zusammen- bricht.

Womit sollte oder kann man realistisch beginnen?
Hammermann: Heute gibt es eine reelle Chance im Gazastreifen zu einer Beruhigung zu gelangen. Das könnte der Anstoß sein um Dialoge, die sich trotz aller Feindseligkeiten durch viele Jahre hindurch erhalten haben zu stärken, wie zum Beispiel das Israelisch- Palästinensische Forum trauernder Familien für Frieden, in dem Israeli und Palästinenser, die einen nahen Verwandten im Krieg verloren haben sich nun gemeinsam für das Ende der Kriegshandlungen einsetzen. Israelische Menschenrechtsgruppen, die für die Rechte der Palästinenser einstehen, könnten eine Brücke zwischen den beiden Völkern bilden. Die Wichtigkeit der kleinen Gruppen von Friedensaktivisten besteht darin, dass sie auch in schwe- ren Zeiten Menschen von beiden Seiten in Vertrauen und Freundschaft zusammengebracht haben.
Raheb: Mit Kultur.Wir müssen eine neue humane Kultur auf eine breite Basis stellen.Wir müssen tragfähige Institutio- nen schaffen, die langfristig einen Unterschied machen.Wir verfehlen ständig die kleinen Schritte, weil wir ständig nach Wundern Ausschau halten. Darin besteht unsere Arbeit in Bethlehem.